Start Allgemeines Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen das Tabakerzeugnisgesetz

Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen das Tabakerzeugnisgesetz

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Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats die Verfassungsbeschwerde einer Produzentin von Tabakerzeugnissen gegen das Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) und die Verordnung über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (TabakerzV) nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Überprüfung dieser Regelungen am Maßstab der deutschen Grundrechte nicht in Betracht kommt, weil sie zwingendes Unionsrecht umsetzen. Angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des einschlägigen zwingenden unionsrechtlichen Fachrechts mit den Unionsgrundrechten erscheint es auch ausgeschlossen, eine Überprüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte durch eine Vorlage mit dem Ziel der Ungültigerklärung dieses unionsrechtlichen Fachrechts zu eröffnen. Soweit die Beschwerdeführerin die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht als verspätet rügt, ist eine Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte zwar eröffnet, eine Grundrechtsverletzung allerdings nicht genügend dargetan.

Sachverhalt:

Mit dem am 20. Mai 2016 in Kraft getretenen Tabakerzeugnisgesetz und der Tabakerzeugnisverordnung setzt der Bundesgesetzgeber die ab dem 20. Mai 2016 anwendbare Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen (EUTPD II) in deutsches Recht um.

  • 5 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG verbietet das Inverkehrbringen von Zigaretten und Tabaken zum Selbstdrehen, die ein charakteristisches Aroma haben oder Aromastoffe in ihren Bestandteilen enthalten oder sonstige technische Merkmale aufweisen, mit denen sich der Geruch oder Geschmack oder die Rauchintensität verändern lassen. Die Vorschrift ist gemäß § 47 Abs. 6 TabakerzG für Zigaretten und Tabake zum Selbstdrehen mit einem charakteristischen Aroma, deren unionsweite Verkaufsmengen 3 % oder mehr einer bestimmten Erzeugniskategorie ausmachen, erst ab dem 20. Mai 2020 anzuwenden.
  • 6 Abs. 1 TabakerzG regelt, dass Tabakerzeugnisse nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn die Packungen und Außenverpackungen mit gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen sind, die in einer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu erlassenden Rechtsverordnung vorgeschrieben sind. Entsprechende Vorgaben ergeben sich für Zigaretten und Tabake zum Selbstdrehen aus §§ 10 bis 14 TabakerzV und für Pfeifentabake aus §§ 15 und 16 TabakerzV.

Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 TabakerzG ist es verboten, Tabakerzeugnisse unter Verwendung irreführender werblicher Informationen auf Packungen, Außenverpackungen oder auf dem Tabakerzeugnis selbst in den Verkehr zu bringen. Eine Irreführung liegt nach § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 TabakerzG unter anderem schon dann vor, wenn sich die werblichen Informationen auf Geschmack, Geruch, Aromastoffe oder sonstige Zusatzstoffe oder auf deren Fehlen beziehen.

Die Beschwerdeführerin sieht sich als Produzentin von Tabakerzeugnissen, insbesondere mentholisierten Tabak-Feinschnitten, durch die Regelungen der § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG in Verbindung mit §§ 12 bis 16 TabakerzV und § 18 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TabakerzG in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt und macht zudem geltend, infolge einer als verspätet gerügten Umsetzung der EUTPD II in nationales Recht in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt zu sein.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

  1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin die Unvereinbarkeit von § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG in Verbindung mit §§ 12 bis 16 TabakerzV und § 18 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TabakerzG mit dem Grundgesetz rügt.
  2. a) Das Rechtsschutzbedürfnis ist entfallen, soweit sich die Beschwerdeführerin durch die Übergangsregelung des § 47 Abs. 6 TabakerzG beschwert sieht und geltend macht, dass diese lediglich für Menthol-Zigaretten, jedoch nicht für mentholisierten Tabak gelte. Denn mit der – nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde – erlassenen Regelung des § 34 Abs. 3 TabakerzV wurde klargestellt, dass die Übergangsfrist auch für mentholisierten Feinschnitt gilt.
  3. b) Darüber hinaus ist eine Überprüfung der angegriffenen Regelungen des TabakerzG und der TabakerzV durch das Bundesverfassungsgericht am Maßstab der deutschen Grundrechte nicht eröffnet, weil sie zwingende unionsrechtliche Vorgaben in deutsches Recht umsetzen. Soweit dem nationalen Gesetzgeber Gestaltungsspielräume verbleiben, betreffen sie nicht die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte grundrechtliche Beschwer. Angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des einschlägigen zwingenden unionsrechtlichen Fachrechts mit den Unionsgrundrechten geht auch die Anregung der Beschwerdeführerin ins Leere, eine Überprüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte durch eine Vorlage an den Gerichtshof mit dem Ziel der Ungültigerklärung des unionsrechtlichen Fachrechts zu eröffnen. Der Europäische Gerichtshof hat die Vereinbarkeit der maßgeblichen Vorgaben der EUTPD II mit Unionsrecht – zuletzt mit dem Urteil vom 30. Januar 2019, Planta Tabak-Manufaktur, C‑220/17, EU:C:2019:76 – gerade auch im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichneten Unionsgrundrechte bestätigt. Im Übrigen ist – auch mit Blick auf diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Unionsgrundrechte den vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Schutz zumal des Wesensgehalts der hier in Rede stehenden deutschen Grundrechte nicht generell verbürgen.
  4. Die Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin rügt, die EUTPD-II hätte so rechtzeitig in deutsches Recht umgesetzt werden müssen, dass die Unternehmen auf dieser Grundlage die notwendigen Maßnahmen zur Umstellung der Produktionsabläufe vor Anwendung der Neuregelung ab dem 20. Mai 2016 hätten durchführen können. Zwar ist die Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte eröffnet, weil die EUTPD-II insoweit Gestaltungsspielraum lässt. Die Mitgliedstaaten waren unionsrechtlich nicht gehindert, die Vorschriften zur Umsetzung der EUTPD-II schon vor deren Anwendbarkeit ab dem 20. Mai 2016 zu erlassen. Eine Verletzung von Grundrechten ist jedoch nicht in einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügenden Weise dargetan. Die Beschwerdeführerin zeigt nicht nachvollziehbar auf, dass die geltend gemachten Investitionskosten und Ertragseinbußen nicht ohnehin aufgrund der zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben entstanden wären, sondern bei einer frühzeitigen Umsetzung der EUTPD-II in deutsches Recht vor dem 20. Mai 2016 hätten verhindert werden können. Zudem legt sie nicht dar, dass eine isolierte frühzeitige Teilumsetzung bereits hinreichend konkretisierter Vorgaben der EUTPD-II in deutsches Recht trotz der damit verbundenen Zersplitterung des Gesetzgebungsverfahrens überhaupt möglich gewesen wäre.